Es gibt Menschen, die setzen sich an irgendeinem Wochentag an irgendeinen Tisch, nehmen irgendein praktisches Papier, eventuell gar irgendeine leere Tabelle, und irgendein Schreibwerkzeug oder irgendein elektronisches Gerät mit ähnlichen Funktionen zur Hand und denken über die Menuplanung der nächsten Woche nach, fügen hier irgendeinen Auflauf, da irgendein Reisgericht und dort irgendein Linseineintopf, irgendwelches Frühstückszeug, irgendwas Schnelles, irgendwas Leichtes für mittags und vielleicht noch irgendwas Unvernünftiges für zwischendurch ein. Dann lehnen sich diese Menschen zufrieden in irgendeiner Sitzgelegenheit zurück, betrachten ihr Werk und sehen, dass es gut ist. Dann greifen diese Menschen nach irgendwelche Taschen, denke vielleicht sogar an irgendeine Form von Zahlungsmittel, benützen irgendein Verkehrsmittel und fahren zu irgendeiner vernünftigen Zeit irgendeinen Ort an, an dem man irgendwelche Lebensmittel erstehen kann. Wieder daheim befüllen sie ihr Kühl- und Vorratsschränke und denken eine Woche lang nicht mehr ernsthaft über irgendwelche potentiellen Kochbarkeiten nach, im Zweifelsfalle werfen sie einfach einen Blick auf ihre Planung, die an irgendeinem sichtbaren Ort aufgehängt von Planungsfähigkeit uns Konsequenz zeugt.
Ich gehöre leider nicht zu diesen Menschen.
Herr G. gehört leider nicht zu diesen Menschen.
Ich kann wohl Menupläne schreiben, ja, ich schreibe wundervolle Menupläne, und ich bin in ebendiesem Moment auch wahnsinnig zufrieden mit dem Geplanten. Leider verflüchtigt sich das Zufriedenheitsgefühl allerspätestens zum Zeitpunkt, an dem die nächste Mahlzeit gekocht werden sollte, denn bis dahin habe ich garantiert Verlangen nach Pizza mit Kräuterteigboden und nicht nach der geplanten Kichererbsenpfanne. In dem Moment könnte ich mich einfachheitshalber dem Kichererbsenpfannenschicksal fügen, das wäre naheliegend und der vernunftbegabte Mensch würde einfach das Beste aus den Kichererbsen machen, ich aber muss dann in die Stadt fahren um die Zutaten für Pizza mit Kräuterteigboden zu erstehen. Natürlich ist grad Samstag oder Sonntag, selbstredend ist grad irgendeine Zeit zwischen 16 und 18 Uhr und geöffnet haben nur die Supermärkte im Bahnhof. Und dann sitze ich da zusammen mit der Wahl zwischen Pest (schlechter Laune) und Cholera (traumatische Einkaufserlebnisse), entscheide mich jedes mal für Cholera und stürze mich mit Erfahrung, Mut und den anderen Irren in den nächstbesten Supermarkt, wohlwissend um die acht goldenen Überlebensregeln des Sonntagseinkaufs:
Gelassenheit: Ohnehin kein schlechte Gut, aber in dieser Situation von unabdingbarer Wichtigkeit. Sie lassen etwas fallen, können sich aber aufgrund der menschenmassenbedingt beengten Verhältnisse nicht bücken? Gelassenheit.
Planung: Schreiben Sie eine Liste, berechnen Sie potentielle Strömungen, notieren Sie das Benötigte chronologisch. Achtung bei den Berechnungen: Je nach Jahreszeit kann die Strömung ihre Zugkraft und Richtung verlagern. (Sommer: Tendenzen zu Grillwaren, Eis und Getränken, Winter: Tendenzen zu Kräutertees und Käsefondues)
Gelassenheit: Lustige Eltern und lustige Alte, mit der lustigen Idee, Kinderwagen und Rollatoren mit in den hoffnungslos überfüllten Raum zu nehmen und in Gangesmitte (nicht der Fluss, das ginge ja noch) stehen zu lassen? Gelassenheit!
Mit dem Strom schwimmen: Was Sie auch tun, tun Sie es mit dem Menschenstrom, wehren Sie sich nicht, ergeben Sie sich ihm, er wird sie durch jeden Gang führen, garantiert! Wenn Sie einen Gegenstand vergessen, ihn aber schon passiert haben: Kämpfen Sie sich nicht gegen den Strom zurück, zum Ihrem eigenen Wohl. Keine Lawine hat die Durchschlagskraft und Zerstörungswut einkaufswütiger Sonntagsshopper. Wenn sie also einen Gegenstand vergessen, ihn aber schon passiert haben: Bezahlen Sie und beginnen Sie von vorn.
Nicht nach unten schauen: Und sollte es Ihnen doch mal geschehen, reden Sie sich ein, dass das worauf Sie da gerade getreten sind, der Inhalt einer Büchse Ravioli und etwas Heidelbeersirup war.
Gelassenheit: Ohnehin kein schlechte Gut, aber in dieser Situation von unabdingbarer Wichtigkeit. Der Mensch vor ihnen nimmt die letzte Zitrone an sich, sie fragen den zufällig in der Nähestehenden Supermarktverkäufer nach Nachschub, warten 15 Minuten, er drückt ihnen eine Limette in die Hand? Gelassenheit!
Kleidung: Ziehen Sie sich richtig an. Ich empfehle wärmstens das Wärmste und Dickste, auch wenn es warm werden wird, ist doch der körpereigene Schweiss angenehmer auf der Haut, als die Ausscheidungen unbekannter Schicksalsbekanntschaften. Und Körperkontakt kann ich Ihnen bei diesem Unterfangen garantieren. Sehr viel Körperkontakt.
Bargeld: Verzichten Sie um Himmelswillen auf die Bezahlung mit Karte, nehmen Sie Bargeld, denn die Kreditkartengerätchen sind ganz sensible Pflänzchen und reagieren bei derartiger Frequentierung gerne mit Burnout und dann stehen Sie da und haben sich all die Müh für nichts gemacht.
Da sitze ich nun wieder, ich Sonntagseinkaufsninja, ich Samurai des Bahnofsupermarkts, und bin viel zu gewappnet für schnöde Menupläne.